An die Wiener Staatsanwaltschaft: Unsere Empörung, die könnt Ihr haben!
Wir haben es schon in einer letztjährigen Herbst-Aussendung kundgetan und tun es wieder:
Wir nennen es Fluchthilfe und einen Akt der Solidarität, wenn Menschen anderen Menschen helfen nach Europa zu kommen. Auf „legalem“ Wege ist dies schon länger nicht mehr möglich, auch wenn rechtsgläubige Menschen und Politiker/innen gerne darauf pochen.
Dass es, wie Michael Genner es pointiert beschreibt, unter den „Schleppern“ auch weniger ruhmreiche Personen und „Lumpen“ gibt, ist für uns klar.
Der Vorwurf der Wiener Staatsanwaltschaft, Michael Genner habe mit einem Online-Beitrag (siehe unten) „das allgemeine Rechtsempfinden empört“ und eine mit Strafe bedrohte Handlung gutgeheißen (§282 Abs.2 ), ist angesichts von 20.000 Toten im Mittelmeer zynisch.
Es sind FRONTEX, EUROSUR und andere zivil-militärische Überwachungs- und Menschenabwehrsysteme, die von europäischen Regierungen beschlossen und mit hunderten Millionen Euro finanziert werden. Sie treiben Menschen in Not dazu den riskanten, ja lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer zu wählen. Kriegsschiffe gegen Flüchtlingsboote einzusetzen war nicht die Idee von „Schleppern“.
Paul Grüninger, Schweizer Polizeioffizier in St. Gallen war einer jener, wie Michael Genner sie bezeichnet „ehrlichen Schlepper“.
Grüninger rettete tausenden von Jüdinnen und Juden das Leben, da er sie „illegal“ in die Schweiz einreisen ließ. Die Konsequenz:
Er wurde seines Dienstes enthoben, 1940 sogar verurteilt. Er starb im Jahr 1972 ohne Anerkennung seiner Verdienste um Menschenleben.
Seine Fluchthilfe wurde mittlerweile verfilmt und läuft momentan in den Kinos: Akte Grüninger – Geschichte eines Grenzgängers
Wir sehen die Anklage gegen Michael Genner als einen Angriff auf all jene kritischen Stimmen, die nicht mit den bestehenden rassistischen Gesetzen in Österreich und Europa einverstanden sind. 2012 wurde auch ein Aktivist der Plattform Bleiberecht wegen „Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze“(§281 StGB) angezeigt, nachdem er auf einer Demo zum Weltflüchtlingstag in Innsbruck über die verhinderte Abschiebung von Lamin J. im Mai 2011 gesprochen hatte. Das Verfahren wurde drei Tage vor der Gerichtsverhandlung eingestellt. Der Anzeigenleger von damals ist heute Leiter des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in Tirol.
Die Anklage gegen Michael Genner, die am 6. Februar am Wiener Landesgericht für Strafsachen verhandelt werden soll, reiht sich ein in die vielen Versuche, Kritiker_innen des herrschenden Unrechts gegenüber Flüchtlingen & Migrant_innen mittels Strafanzeigen „mundtot“ zu machen.
Die vorliegende Anklage eignet sich eigentlich als Farce, wäre sie nicht im bürgerlichen Rechtsstaat mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren sanktioniert.
Beiträge auf der Website von Asyl in Not:
Asyl in Not: Die Freiheit der Medien ist in Gefahr:
Asyl in Not: Schlepper und Lumpen
Die Plattform Bleiberecht solidarisiert sich mit Michael Genner und fordert die sofortige Einstellung des Gerichtsverfahrens!
Wir fordern außerdem die Offenlegung des/der Anzeigenlegers_in durch die Staatsanwaltschaft!
Für die globale Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte aller Menschen!
Für das Recht zu bleiben & das Recht zu gehen!
NACHTRAG:
Die Strafanzeige gegen Michael Genner wurde mittlerweile auf Weisung der Oberstaatsanwaltschaft zurückgezogen.
derStandard.at, 4.2.2014: Strafantrag gegen Asyl-in-Not-Obmann zurückgezogen: Weisung durch Oberstaatsanwalt