Transnationaler Widerstand gegen trinationale Flüchtlingsabwehr am Brenner!
Anlässlich des Transnationalen Migrant_innen-Streiks am 1. März 2015 kamen zum ersten Mal
Aktivist_innen aus Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz an der Brenner-Grenze zusammen, um die Politik der Flüchtlingsabwehr sichtbar zu machen: Transnationaler Aktivismus als gemeinsames Zeichen gegen die trinational-organisierte Abschiebepolitik! Über 200 Menschen zogen vom Bahnhof Brennero zur Staatsgrenze am Kreisverkehr, unterstützt von den Klängen des Street Noise Orchestra aus Innsbruck.
Mit „Freie Fahrt über den Brenner“ (Plattform Bleiberecht Innsbruck) und „Ein besseres Asylsystem ist möglich“ (OEW, Alexander Langer Stiftung, Netzwerk für die Rechte der Stimmlosen u.a. Organisationen aus Südtirol) riefen die Organisator_innen aus Italien und Österreich zu einer gemeinsamen Aktion am Brenner auf, und ein Umdenken der aktuellen EU Asyl- und Aufnahmepolitik zu fordern.
Der (mobile) Brenner ist heute eine jener innereuropäischen Grenzen, die die Problempunkte der aktuellen europäischen Asyl- und Aufnahmepolitik aufzeigen. Aufgrund von Rückführungsübereinkommen zwischen Italien und Österreich, des Dublin III-Regimes und Abkommen zur transnationalen polizeilichen Zusammenarbeit, wurden 2014 rund 6.000 Flüchtlinge von der österreichischen Polizei nach Italien an den Brenner zurückgeschoben.
Seit November 2014 werden Personen ohne gültige Dokumente durch trilaterale Polizeipatroullien (deutsche, österreichische und italienische Polizist_innen) auf italienischem Territorium, hauptsächlich auf den Eurocity Zügen Verona-München, noch vor ihrer Ausreise aus Italien des Zuges verwiesen, häufig in Bozen.
An der Staatsgrenze wurden in Redebeiträgen die Stationen der sogenannten „Brenner-Route“ erklärt, um Problempunkte aufzuzeigen und gleichzeitig deutlich zu machen, wie wichtig diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit „von unten“ ist.
* Trento: Polizist_innen der trilateralen Patrouillen – bestehend aus deutschen, österreichischen und italienischen Beamt_innen – steigen meist dort in die internationalen Reisezüge nach München ein und kontrollieren die Reisenden mittels „racial profiling“.
* Bozen-Bolzano: Seit November hat sich die „Brenner-Grenze“ nach Bozen verschoben: Menschen auf der Flucht mit gültigem Fahrticket aber ohne Aufenthalts- oder Ausreisepapiere werden des Zuges verwiesen und zum Bahnhofspolizei gebracht. Während eine Überarbeitung des Asyl-Rechtsrahmens dringendst notwendig wäre, wurden hingegen die Kontrollen intensiviert: sie machen die Flucht der Menschen nur länger, aufreibender, teurer, unsicherer – auch innerhalb Europas.
* Brenner(o): Polizist_innen der trilateralen Kontrollen steigen hier aus dem Zug aus – für den Großteil der Menschen auf der Flucht endet ihre Reise hier vorzeitig. Am Bahnhof finden sich Menschen, die in einem anderen Europäischen Land um Asyl ansuchen wollen: Einzelpersonen, Familien, Kinder, die zum Teil auch ihre Familienmitglieder erreichen möchten, aber auch
Menschen die Italien verlassen möchten, weil sie kein funktionierendes Aufnahmesystem vorfinden. Am Bahnhof finden sich auch jene Flüchtlinge ein, die in Österreich aufgegriffen und nach Italien an die Grenze zurückgebracht werden.
* Plon: Im Anhaltezentrum Plon werden die in Österreich aufgegriffenen Flüchtlinge festgehalten bevor sie den italienischen Behörden übergeben werden. Über unabhängige Rechtsberatungsangebote werden sie nicht informiert.
* Innsbruck: In Innsbruck sind Kontrollen und reisende Flüchtlinge wenig in der Öffentlichkeit präsent – der Großteil von ihnen wird bereits vorher angehalten. Innsbrucker Initiativen fordern eine unabhängige Rechtsberatung im Anhaltezentrum Plon: Mitarbeiter_innen von Flüchtlingsberatungsstellen wird der Zugang bis dato verwehrt.
* München: Am Bahnhof in München herrscht Überforderung. Viele Flüchtlinge gelangen an den Bahnhof, bei vollen Notschlafstellen sind viele gezwungen auf der Straße zu schlafen, auch Kasernen wurden bereits zu Übergangs-Schlafstätten umfunktioniert.
Bayern übt Druck auf Österreich, Österreich wiederum auf Italien aus, die Grenzkontrollen zu verschärfen. Das Ergebnis sind verstärkte Kontrollen von Polizist_innen auf der Brenner-Route.
Es war ein lautstarkes, gemeinsames Zeichen antirassistischer Organisationen und Einzelpersonen aus Italien, Österreich, Deutschland und der Schweiz gegen das EU-Grenzregime. Wir werden weitermachen!
Wir fordern angesichts dieser Situation
- Die Dublin-Verordnung muss fallen – freie Wahl des Aufnahmelandes für Flüchtlinge.
- Unabhängige rechtliche Beratung im Anhaltezentrum Plon.
- Globale Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte für alle Menschen!
Ausgewählte Medienberichte
TT (2.3.2015): Flüchtlings-Aktivisten demonstrieren für offene Grenzen
Der Standard (2.3.2015): Brenner: Protest gegen „rassistische Grenzsicherung“
salto.bz (1.3.2015): Refugees are welcome here
salto.bz (27.2.2015): Wie ist die Flüchtlingslage in Nordtirol?
Bezirksblätter (1.3.2015): Knapp 200 Menschen demonstrierten am Brenner
Zum Nachlesen: Geschichte-1Maerz-2015
Nachtrag: Beitrag im Augustin vom 17.03.2015: Brenner, öffne dich!